Ich will alles, und zwar schnell!?

Gucken Sie mal aufs Foto: Da verhindert ein junger Trieb das Entfalten einer fast schon vollendeten Blüte. 

Kennen Sie sowas von sich auch?

Ich schon. 

 

 

Das kann beispielsweise passieren, wenn wir uns zuviel auf einmal aufladen. Damit es mir nicht nochmal so geht, habe ich gestern schweren Herzens einen Stop in ein heißersehntes Projekt gehauen. 

Der Fall war so:

Ich habe ja vor einiger Zeit meine ersten Selbstcoaching-Kurs angekündigt. Der ist fertig und zieht nun Folgearbeiten, z. B. den Aufbau eines Webshops, nach sich. Dass das ein ordentlicher Stiefel Extraarbeit zuzüglich zum Tagesgeschäft ist, war mir klar. Soweit so gut. 

Dazu kam nun noch ein reizvolles Projekt: Das Angebot einer Lesung. Ein befreundeter Unternehmer fragte mich, ob ich nicht im Oktober ein paar meiner Gedichte und Geschichten im Rahmen einer Veranstaltung zum Besten geben möchte. Tolle Sache, da hab ich gleich zugesagt. Da steckt jedoch auch eine Menge Rundrum-Aufwand drin: Flyer texten, Programm zusammenstellen, Moderation schreiben…

Als sei das noch nicht genug wurde plötzlich der bislang leise in mir keimende Wunsch nach einem Geschichten-Buch brüllend laut. Die Lesung schien mir die passende Gelegenheit dafür. Schon sah ich ein E-Book sowie eine limitierte, in Seide gebundene Druckausgabe mit Illustrationen und allem Pipapo vor meinem geistigen Auge. – Und zack, hatte mich dieser Wunsch in Beschlag genommen!

Ich erarbeitete sogleich das Buch-Konzept. Recherchierte, telefonierte und kalkulierte. Briefte gar schon den Zeichner. Doch immer wenn ich auf die To-Do-Listen und meine Zeitplanung guckte, wurde mir mulmig. Mir war klar, dass ich mich besser für das eine oder das andere entscheiden sollte: entweder Webshop & Co oder Künstlerbuch. Doch das kriegte ich nicht hin. Also müsste ich mich auf eine heftige Zeit mit Nacht- und Wochenendarbeit einstellen. Und auch darauf, zwei Schnellgeburten auf die Welt zu bringen. Das fand ich auch blöd.

Schnellgeburten haben ihren Preis!

Was soll ich Ihnen sagen: Sowas kenn ich von mir. Ich bin so eine, die am liebsten alles haben will, was ihr ins Hirn schießt und sie fasziniert. Und zwar bald. Ich durchdenke die Dinge durchaus gescheit, komme schnell ins Tun und bringe das meiste davon auch gut zu Ende. Allerdings zahle ich dafür oft einen hohen Preis. Und diesen bin ich immer weniger bereit zu zahlen, denn: 

  • Ich schmälere mir den Genuss, der mit einem Tun in angemessener Zeit einhergeht. Genuss funktioniert eben nicht schnell, schnell und mit Termindruck.
  • Schnellgeburten schlauchen, denn sie erfordern sehr viel Energie und extrem hohe Konzentration.
  • Ich werde zum Antreiber, nicht nur mir gegenüber, sondern auch bei meinen Lieferanten und Partnern. Das belastet und gefährdet die angenehme, fruchtbare Zusammenarbeit.
  • Ich werde innerlich unruhig und bekomme Ungeduldsanfälle, Schädelbrummen bis hin zu Schlafstörungen.
 
Das Sich-zuviel-vornehmen kann aber noch ganz andere Auswirkungen haben, z. B.: 
 
  • Die Qualität der einzelnen Projekte leidet.
  • Termine können nicht gehalten werden.
  • Schnellgeburten sind oft nicht ausgereift und müssen mühsam nachgearbeitet oder gar eingestampft werden. 

Von Erblühen kann da keine Rede mehr sein! – Und mal ehrlich: Wer kennt das nicht? Unsere ganze Gesellschaft tickt so „schnell-hoch-weit-mehr“.

 
 
Doch muss das sein? 
 
 

Nee, nicht mehr mit mir!

Nachdem ich ein paar Tage ehrgeizig an allem parallel gewerkelt habe, fühlte ich mich trotzdem irgendwie wie beim Fahren mit angezogener Handbremse. Zu wissen, was ich mir da alles aufgeladen hatte, lähmte mich mehr, als dass es mich voll durchstarten ließ. Der ganze Kram machte mich unzufrieden. Nun brüllte in mir laut die Frage, was das soll. 

Als ich dann auf meiner Terrasse dieses fast schon wie ein Zeichen anmutende Blühverhinderungs-Szenario sah, entschied ich mich endlich gegen das Buch, zumindest vorerst. – Loslassen und verzichten ist nicht leicht, befreit aber ungemein und ermöglicht Blüten in voller Pracht!

Nach der Entscheidung war ich zunächst traurig, dann erleichtert. Derweil ist meine Laune wieder sonnig, denn ich fühle mich wieder als Herrin meines Tuns. Das Buch wird kommen, doch eben zu stimmiger Zeit. Schauen Sie doch mal dieser herrlichen Mondwinde beim Erblühen zu: Ist das nicht wunderschön und beglückend? Genauso will ich das Entstehen meines Künstler-Erstlingswerk erleben!

 

  Ein Kommentar zu “Ich will alles, und zwar schnell!?

  1. 21. September 2012 at 17:37

    Hallo Frau Rubin,

    das kommt mir sehr bekannt vor:-). Neue Ideen beleben mich. Ich nutze gern die Energie, die damit verbunden ist, um schnell etwas umzusetzen. Doch wenn ich gleichzeitig noch an zig anderen Projekten arbeite, blockiere ich mich irgendwann und komme nirgendwo mehr recht weiter. Oder eben nur mit einem sehr hohen Preis, wie Sie ihn ja auch nennen. Ich möchte nicht ganz auf Schnellgeburten verzichten, doch es muss auch Phasen geben, wo ich mir mehr Zeit lassen kann.

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