Wir haben jemandem ehrlich die Meinung gesagt. Anders gehandelt, als es von uns erwartet wurde. Oder gegen eine Regel verstoßen. Das sind typische Situationen, in denen uns hinterher das schlechte Gewissen plagt.
Zu Recht oder Unrecht? Das ist eine Frage, die wir uns beantworten sollten, wenn wir es wieder loswerden wollen. Egal wie die Antwort ausfällt: So oder so müssen wir dieses unangenehme Schuldgefühl zunächst aushalten. Doch wir können dafür sorgen, dass es uns nicht lange behindert und quält. Denn letztlich ist mit dem schlechten Gewissen keinem geholfen.
Im Wissens-Quickie „Warum bekommen wir ein schlechtes Gewissen“ ging es darum, welche Funktion es eigentlich hat. Wenn Sie wollen, können Sie das zum Einstieg (noch einmal) lesen. Besser damit umgehen und es schnellstmöglich wieder loswerden, können wir es in den folgenden 4 Schritten:
- Notfallprogramm
- Annehmen
- Reflexion & nächste Schritte
- Handeln
Schritt 1: Notfallprogramm
Ihnen ist die Lieblingsvase Ihrer Schwester heruntergefallen. Sie haben den Termin mit Ihrem Partner vergessen. Sie müssen mal wieder wegen dringender Projekte einen Urlaub verschieben. – Das sind Situationen, in denen das schlechte Gewissen blitzartig zuschlägt. Und zwar so, dass wir es sogar körperlich spüren, beispielsweise in Form von Bauchgrummeln, Hitzeempfinden oder Wutanfällen. Das sind Stressreaktionen und diesen müssen wir jetzt zuallererst unsere Aufmerksamkeit widmen. Daher habe ich den ersten Schritt „Notfallprogramm“ genannt.
Wenn wir jetzt schon versuchen, die Angelegenheit klar unter die Lupe zu nehmen oder sie gar zu bagatellisieren, führt das zu nichts. Zuerst müssen wir den Stress abzubauen, sonst folgen aktionistische Handlungen oder Sie behalten einen Innendruck wie ein Dampfkochtopf, dem gleich der Deckel wegzufliegen droht. Daher ist zuerst Abreagieren angesagt! Den meisten hilft hier körperliche Aktivität. Drei Möglichkeiten habe ich in meinem Beitrag „5 Anti-Ätzgefühl-Tipps“ beschrieben: den Feueratem, dynamisches Bewegen und Abschütteln. Das tun Sie solange, bis Sie spürbar runtergekommen sind und wieder klar denken können.
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen uns das schlechte Gewissen eher unterschwellig und schleichend in Beschlag nimmt, beispielsweise wenn wir morgens vor der Arbeit ins Yoga gehen und erst gegen 10 Uhr im Büro erscheinen. Oder wenn wir, anders als die Kollegen, immer pünktlich Feierabend machen. Viele bekommen das nagende Gefühl nämlich vor allem dann, wenn sie sich anders verhalten als die meisten. Das führt zu diffusem Unwohlsein, da hilft dynamisches Bewegen nicht. In solchen Fällen, beginnen Sie gleich mit Schritt 2.
Schritt 2: Annehmen
Bevor wir etwas wieder loswerden können, müssen wir es zunächst annehmen. So auch das schlechte Gewissen und zwar egal, ob Sie Ihr Verhalten jetzt als „richtig“ oder „falsch“ bewerten. Annehmen bedeutet, sich ganz bewusst einzugestehen, dass Sie ein schlechtes Gewissen haben und dass das ok ist. Das gelingt am besten, wenn wir anerkennen, dass es zu unserem ganz normalen – und oft ja auch sinnvollen – Gefühlsrepertoire gehört. Darüber hinweggehen oder sich dafür rügen, hilft nichts. Das ungute Gefühl bleibt trotzdem.
Zum Annehmen gehört auch sich zu verzeihen! Nur mit einem bewussten Akt der Vergebung werden Sie freier und können dann in Ruhe entscheiden, wie Sie weiterhin handeln wollen. Machen Sie sich an dieser Stelle noch einmal klar, dass ein schlechtes Gewissen letztlich keinem hilft. Sie quält und behindert es. Die anderen behindert es vielleicht auch und irgendwann nervt es sie vermutlich. Und Achtung: Wenn sich jemand an Ihrem schlechten Gewissen ergötzt, es von Ihnen einfordert oder Sie damit erpressen will, dann manipuliert er Sie!
Schritt 3: Reflexion & nächste Schritte
Dass uns mal eine Vase runterfällt oder wir einen Termin vergessen, kommt vor. Beim Reflektieren sollten Sie aufpassen, dass Sie nichts Übermenschliches von sich erwarten. Viele haben einen sehr hohen Anspruch an sich, wollen alles gut machen, gar perfekt sein. DOCH DAS SIND WIR NICHT! Das zu bejahen, lässt das schlechte Gewissen in vielen Fällen schon schwinden.
Bei Gewissensbissen hilft es, sich folgende Fragen zu beantworten:
- Was sind die Ursachen für mein schlechtes Gewissen?
- Wie bewerte ich mein Verhalten?
- Wie will ich mich in Zukunft verhalten?
- Welche Schritte kann ich unternehmen – entweder zur Wiedergutmachung oder zur eigenen Selbstfürsorge?
In der zweiten Frage steckt das Wort „bewerten“ – es geht also um Werte. Um unsere eigenen und um die der anderen. Oft tobt in uns ein sogenannter Wertekonflikt. Beispiel: Wenn Sie wiederholt und widerwillig einen Urlaub aufgrund von dringenden Projekten absagen müssen, kollidieren zwei Ihrer Werte miteinander, z. B. Leistungswillen im Job gegen Verlässlichkeit. Vielleicht auch Angepasstheit gegen Spaß/Erholung. Welche Werte da aufeinanderprallen, ist immer ganz individuell. Doch wenn Sie sich Ihrer eigenen Werte bewusst sind und zudem versuchen, sich in Ihr Gegenüber hineinzuversetzen, haben Sie eine gute Grundlage für Ihre weiteren Entscheidungen. Diese innere Klarheit zaubert das schlechte Gewissen zwar noch nicht weg, doch Sie können genau abwägen, wo Sie ganz bei sich bleiben wollen und wo Sie zu Zugeständnissen wirklich bereit sind. Und daraus leiten Sie Ihre nächsten Schritte ab und malen sich vor Ihrem inneren Auge aus, wie Sie sich ab sofort verhalten wollen.
Dass Ihre Handlungsschritte Aussicht auf Erfolg haben werden, zeigt sich schon jetzt, noch bevor Sie wirklich danach gehandelt haben, indem Sie ein deutliches nachlassen oder verschwinden des schlechten Gewissens spüren.
Wenn der Plagegeist Sie noch immer nicht loslässt, noch ein Tipp: Setzen Sie die Angelegenheit ins größere Verhältnis! Wie dramatisch ist diese Sache wirklich in Bezug auf das, was Sie sonst im Job, für die Familie, für die Freunde etc. tun? Und noch einen Zacken schärfer: Wie dramatisch ist die Angelegenheit angesichts der Tatsache, dass Sie 1! Leben haben, das endlich ist?
Zu 4 – Handeln
Der letzte Schritt ist das Tun.
Wenn Sie zu dem Schluss gekommen sind, dass Sie zu Recht ein schlechtes Gewissen haben, dann ist jetzt oder eben so bald wie möglich die Zeit für Entschuldigung und wo möglich Wiedergutmachung.
Wenn Sie zu dem Schluss gekommen sind, dass Sie sich zu Unrecht mit Gewissensbissen plagen, dann stehen Sie für sich ein und sagen beispielsweise dem Chef, dass Sie zu weiteren Urlaubsverschiebungen nicht mehr bereit sind. Das mag anfangs noch schwer fallen und das schlechte Gewissen wird vielleicht noch eine Zeit anhalten. Das ist normal, wenn wir uns plötzlich anders verhalten als gewohnt.
Doch seien Sie gewiss: Wenn Sie sich wiederholt so verhalten und gut für sich sorgen, dann wird sich das schlechte Gewissen nach und nach in Luft auflösen und Sie nicht mehr belästigen. Bleiben Sie also dran und machen Sie geduldig weiter!
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