Was erwarten Sie eigentlich?

Was erwarten Sie eigentlich?Kennen Sie auch Menschen, die automatisch von ihren Freunden erwarten, dass man sich abwechselnd-gleichberechtigt beieinander meldet? Also wenn ich das letzte Treffen mit Petra arrangiert habe, ist sie das nächste Mal dran. Wenn es Klaus war, der zuletzt bei mir angerufen hat, bin ich folgerichtig diejenige, die als nächstes aktiv wird. – Wenn das in der Praxis dann nicht so funktioniert, sind sie enttäuscht.

Das ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie oft wir davon ausgehen, dass andere die gleichen Maßstäbe ansetzen wie wir. Einfach weil wir etwas für selbstverständlich halten. Selbstverständliches haben wir jedoch oft noch nicht einmal bewusst auf dem Radar. Und wenn doch neigen wir dazu, es nicht ansprechen zu wollen, schließlich scheint das doch so klar. – Die nicht seltene Folge: Enttäuschung aufgrund von Erwartungen.

Im meinem ersten Beitrag zum Thema „Erwartungen“ sage ich, dass wir nicht ohne sein können, auch wenn das manche Denkschulen oder Ratgeber behaupten. Dass wir Einfluss auf sie nehmen und dadurch Enttäuschungen vorbeugen oder besser mit ihnen umgehen können, halte ich dagegen für unbestritten. Jedoch müssen sie uns dafür

  1. bewusst sein,
  2. sollten wir über die, die uns wirklich wichtig sind, mit unseren Mitmenschen reden und
  3. dennoch Einsicht und Gelassenheit walten lassen, dass es sich dabei eben um Vorstellungen und Wünsche unsererseits handelt, auf die wir keinen Erfüllungsanspruch haben.

Sich seiner Erwartungen bewusst werden

Sich seine Erwartungen für wichtige Themen und Beziehungen so weit wie möglich bewusst zu machen, ist der erste Schritt, Enttäuschungen vorzubeugen. Nur so können wir

  • erkennen, was unsere Vorstellungen genau sind und reflektieren, wie wichtig uns diese dann wirklich sind. Dadurch können wir Beziehungen oder Anlässe entsprechend ausrichten und gestalten. Erwartungen sind ja nicht per se schlecht, sondern sagen oft viel über das aus, was wir uns wünschen und was uns wertvoll ist.
  • dann im offenen und ehrlichen Gespräch mit relevanten Personen zum Ausdruck bringen, welche Wünsche und Vorstellungen wir konkret haben und
  • können, wenn etwas nicht funktioniert, gelassener bleiben, weil wir wissen und akzeptieren, dass es eben unsere Erwartungen in Form Wünschen oder Ideen von etwas sind, auf die wir jedoch keinen Rechts- oder Erfüllungsanspruch haben. Wir entwickeln also generell einen entspannteren Umgang damit.

Erwartungen reflektieren

Seinen Erwartungen kommt man am besten mit etwas Zeit und Ruhe schriftlich auf die Spur. Bei vielen Dingen hegen wir nämlich recht komplexe Vorstellungen. Wenn Sie sich beispielsweise einmal das Thema Partnerschaft vornehmen, fallen Ihnen sicher schnell eine ganze Menge an Erwartungen ein, beispielsweise hinsichtlich gemeinsamer Ziele, Sexualität oder Nähe.

Nehmen wir mal das Stichwort „Nähe“ heraus: Sind Sie sich selbst eindeutig darüber im Klaren, wie Ihre Vorstellung von Nähe genau aussieht? Wie viel Sie brauchen? In welcher Form? Wo Ihre Vorstellung diesbezüglich herkommt?

Folgende Reflexionsfragen können Ihnen behilflich sein, Ihren Erwartungen auf die Spur zu kommen:

  • Was genau erwarte ich eigentlich von ….? – meinem Partner/einer Partnerschaft, Freunden/einer Freundschaft, meinem Vorgesetzten, meinen Mitarbeitern…

    Schreiben Sie ruhig erst alle Ihnen einfallenden Begriffe wie Loyalität, Treue, Freiheit oder ähnliches auf. Und dann ganz wichtig!: Konkretisieren Sie diese im zweiten Schritt und finden Sie Beispiele. Nur so werden Ihre Erwartungen für Sie und andere greifbar. Wenn es um Freiheit in der Partnerschaft geht, könnte das beispielsweise sein, dass Sie sich wünschen, Ihren eigenen Freundeskreis zu pflegen oder für ein halbes Jahr allein in Sabbatical zu gehen.

  • Welche meiner Erwartungen wurden und werden immer wieder enttäuscht?
  • Sind meine Erwartungen bei Licht betrachtet stimmig und angemessen? Oder sind sie unrealistisch, überzogen und einengend?
  • Habe ich meine Erwartungen den involvierten Personen gegenüber schon einmal geäußert?

Vor allem wenn es gnatscht: Das Gespräch suchen

Wenn Ihre Erwartungen und Vorstellungen von Menschen, die Ihnen wichtig sind, wiederholt enttäuscht werden, hilft nur eins: das Gespräch suchen und sich offen und ehrlich über die jeweiligen Erwartungen auszutauschen. Sprechen Sie Ihre Wünsche an, aber bitte wirklich als Wünsche und nicht als Forderungen! Und sprechen Sie eben auch die Dinge an, die Ihnen selbstverständlich erscheinen, dem anderen aber scheinbar nicht.

Das ist manchmal leichter gesagt, als getan, denn ja, das kann entzaubern und enttäuschen. Manchmal gehen Erwartungen – besser gesagt die dahinter liegenden Wünsche und Bedürfnisse von Menschen – nicht zusammen und man muss entsprechende Konsequenzen ziehen. Doch viel mehr birgt der Austausch die Chance, zu geeigneten Lösungen, Kompromissen oder Alternativen zu finden.

Im nächsten Beitrag zum Thema „Erwartungen“ geht es um mehr Gelassenheit und Abstand im Umgang mit den großen und kleinen Enttäuschungen, die durch Erwartungen ausgelöst werden können. Schauen Sie also wieder rein.

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