Der mit dem Stab hat das Wort

Einfach mal den Mund halten und zuhören – das ist nicht immer leicht. Gestern habe ich mich mit einer Kollegin getroffen, um über ein mögliches gemeinsames Seminar zu sprechen. Und wie wir da so saßen und immer tiefer ins Thema kamen, fielen wir uns vor Begeisterung mehr und mehr gegenseitig ins Wort. Irgendwann landeten wir im euphorischen Chaos.

 

Wie uns also wieder in den Griff kriegen? – Da fiel mir der Redestab ein.

Von diesem habe ich mal in einem Seminar gehört. Schon damals fand ich es gar nicht abwegig, dieses uralte Mittel zur Steuerung von Gesprächen auch in Business Meetings zum Einsatz zu bringen. Ich war zu der Zeit Führungskraft in einem Konzern und fand, dass so mancher Leitungsrunde oder Teambesprechung so ein Sprecherregler zu mehr Wertschätzung und besseren Ergebnissen verholfen hätte. Jedenfalls wenn sich die Teilnehmer an die Redestab-Regeln halten, die da lauten:

  • Der, der den Redestab hat, sagt, was ihm wirklich Wichtig ist und was das für die Gruppe, das Projekt oder Thema bedeutet.
  • Solange einer spricht, hören die andern zu, sind still, dafür mit der vollen Aufmerksamkeit beim Sprecher.
  • Jeder kommt dran. Der Redestab kreist im Uhrzeigersinn weiter, sobald der aktuelle Sprecher alles gesagt hat. Hierarchien spielen keine Rolle.
  • Sofern kein Moderator zur Stelle, kann der Redestab-Inhaber durch lautes Klopfen mit selbigem auf den Tisch eventuelle Störer oder Zwischenplapperer zum Schweigen bringen.
  • Die Diskussion wird, wenn überhaupt gewünscht, erst nach der Redestab-Runde eröffnet.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Kein Abwürgen und Dazwischenreden
  • Jeder, auch eher Schüchternste, kommt zu Wort. Das führt oft zu ganz neuen Blickwinkeln
  • Beste Gesprächsstruktur und –kultur
  • Keiner muss krampfhaft bemüht sein, das Wort an sich zu reißen. Wenn jemand Angst hat, seine Inhalte zu vergessen, bis er dran ist, schreibt er sie halt auf.

Stoppen sollte man Redestab-Besitzer, wenn sie den eigenen Sprech-Slot zur exzessiven Selbstdarstellung, zum Dauerjammern oder zum so mal richtig „die Meinung geigen“ nutzen, es sei denn, es ist so gewollt.
Und auch klar: nicht für jede Art von Austausch ist die Methode sinnvoll, so z. B. bei Brainstormings. Sehr hilfreich ist sie jedoch in Gesprächen, in denen sich Menschen schnell auf den Schlips getreten fühlen und sofort in die Rechtfertigungs- oder Verteidigungshaltung gehen, z. B. in beruflichen Zusammenkünften, aber auch privat in Paar- oder Familienaussprachen.
Auch bei unserer aus dem Ruder gelaufenen Zusammenkunft hat er geholfen. Wir schnappten uns das Zepter, das ich manchmal in Trainings verwende, und reichten das gute Stück hin- und her. Nicht ohne uns zwischendurch kaputtzulachen, wenn das entweder witzig aussah oder es trotzdem wieder durcheinander ging. Ja ja, gar nicht so einfach, das disziplinierte Ausreden lassen. Aber wir sind dabei geblieben und kamen zu einem guten Gesprächsergebnis.
Mehr über das uralte Redestab-Ritual lesen Sie beispielsweise auf Wikipedia. Wenn Sie im Netz Bilder sehen, nicht wundern: meist wird er aus Wurzelholz und Federn gebaut, denn er stammt traditionell aus indianischer Tradition.

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